Date

Oct 20, 2025

Author

Sacha Schwarz, Louis Widmer, Raphael Kunz

Duration

January - May 2025

Category

BioLab

Series of tests

Mushroom

Abfall wird zum Werkstoff

Welche Materialien lassen sich lokal, kreislauffähig und mit biologischen Mitteln herstellen und welche Rolle kann dabei Abfall spielen? Im Zentrum dieses Projekts steht die Erforschung von Myzelkompositen, die aus organischen Reststoffen der ZHdK gezüchtet wurden. Ziel ist es, nicht nur das gestalterische Potenzial lebender Werkstoffe auszuloten, sondern auch zirkuläre Prozesse innerhalb einer Hochschulinfrastruktur sichtbar und nutzbar zu machen. Erprobt wurden sowohl verschiedene Substratmaterialien als auch Wachstumsformen und Oberflächenbehandlungen.

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Abfall als Substrat für Myzelkomposite

Ausgangspunkt der Versuchsreihe war die Frage, welche Abfälle innerhalb der ZHdK sich als Substratergänzung für das Wachstum von Myzel eignen. Getestet wurden unter anderem Kaffeesatz aus der Cafeteria, Sägemehl aus den Werkstätten, gebrauchte Post-its aus Sitzungsräumen, benutzte Servietten, Pappbecher und Pizzaschachteln. Neben dem Wachstum des Myzels stand auch die mechanische Stabilität des entstehenden Komposits im Fokus. Zusätzlich wurde untersucht, wie das Myzel auf belastete Bestandteile des Substrats reagiert, etwa auf Fettspuren in Pizzakartons oder auf Rückstände von Pigmenten und Lösungsmitteln in beschrifteten Post-its.

Als Ausgangsform diente eine standardisierte Tetrapod-Struktur. Sie sollte zeigen, ob das Material in der Lage ist, sein Eigengewicht stabil auf drei Punkten zu tragen. Viele der Resultate erwiesen sich jedoch als zu instabil für diesen Aufbau. Daher wurde die Wachstumsform überarbeitet und durch eine flache, linsenartige Form ersetzt. Die neue Geometrie begünstigt ein gleichmässiges Wachstum, ist robuster und weist eine deutlich höhere Erfolgsquote auf. Die wiederverwendbare, 3D-gedruckte Form stellt nun die Basis für weitere Testreihen dar und erleichtert den Einstieg in die Arbeit mit Myzelkompositen erheblich.

Figure 1:


Erste Testserien mit Pizzaschachteln mit Ölresten wurden mit verschiedenen Verhältnissen mit Reihi und Hanf kombiniert. Das Öl hemmte das Wachstum des Myzels nicht. Bilder von links nach rechts: 1. Nach 1 Tag, 2. Nach 7 Tagen, 3. Nach 10 Tagen


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Reishi auf Kompostsubstrat mit WeEarth

Ein Tetrapod, beimpft mit Ganoderma lucidum und gefüllt mit im WeEarth-Komposter verarbeitetem Substrat, zeigte ein besonders schnelles und gleichmässiges Myzelwachstum. Bereits nach wenigen Tagen war die Oberfläche nahezu vollständig vom Pilz überzogen. Das ursprüngliche Substrat war nur noch durch Abschaben sichtbar, die Struktur erschien dicht verwachsen, stabil und weitgehend frei von Kontamination.

Das Substrat aus dem elektrischen Komposter erwies sich damit als besonders geeignet für das Wachstum von Reishi. Der beschleunigte Abbauprozess erhöht die Verfügbarkeit komplexer Nährstoffe wie Lignin und Zellulose, die für das Myzelwachstum essenziell sind. Gleichzeitig bietet die feinkörnige, poröse Struktur gute Durchdringbarkeit und Feuchtigkeitsspeicherung.

Auch die mikrobiologische Zusammensetzung dürfte eine Rolle spielen. Der Kompostierungsprozess fördert vermutlich nützliche Mikroorganismen, die das Myzelwachstum unterstützen und zugleich konkurrenzstarke Keime reduzieren.

Insgesamt bietet das Substrat aus dem WeEarth-Komposter eine vorteilhafte Kombination aus Struktur, Nährstoffen und mikrobieller Umgebung. Es eignet sich hervorragend für die Kultivierung von Ganoderma lucidum und ist vielversprechend für weitere Versuche im Outlab.

Figure 2:


Obere Reihe: Getrocknete Mischungen mit der Ausgangslage des Ecovative Starter (Reishi, Hanf)

Untere Reihe: Verschiedene Tests mit Spezies wie z.B. dem Austernseitling oder dem Pestalotiopsis microspora, der PLA zersetzen kann.


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Optimierung der Wachstumsform

Die zu Beginn eingesetzte Tetrapod-Form diente als skulpturale Struktur, um die Tragfähigkeit und Formstabilität von Myzelkompositen zu testen. Sie brachte jedoch in der Praxis mehrere Herausforderungen mit sich: Die komplexe Geometrie erschwerte das gleichmässige Wachstum, führte häufig zu Instabilität im frischen Zustand und liess sich nur begrenzt wiederverwenden.

Aus diesen Gründen wurde eine neue, funktional optimierte Wachstumsform entwickelt. Die neue Form basiert auf einer linsenartigen Geometrie und besteht aus drei Einzelteilen: einer unteren und einer oberen Hälfte sowie einem passgenauen Deckel mit Belüftungslöchern. Diese modulare Bauweise erleichtert nicht nur das Füllen und Entformen, sondern verbessert auch die Wachstumsbedingungen durch gezielte Luftzufuhr.

Durch diese Umstellung wurde die Reproduzierbarkeit der Versuche deutlich erhöht. Es kann sich so schneller in das Thema einarbeitetet werden, da die Erfolgsquote beim Kultivieren messbarer Resultate gestiegen ist. Die neue Form erlaubt zudem vergleichbare Ergebnisse in kürzeren Zeiträumen, was insbesondere im Rahmen von Semestermodulen mit begrenzter Dauer von Vorteil ist.

Figure 3:

Die wiederverwendbare Linsenform als Weiterentwicklung zur Tetrapodform.


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Oberflächenbehandlungen

Im Projekt wurden verschiedene Beschichtungs- und Färbemethoden für Myzel-Composite untersucht. Getestet wurden Wachs, Harz, natürliche Färbemittel sowie Lebensmittelfarbe. Natürliche Färbungen erwiesen sich als unzuverlässig, während Lebensmittelfarbe einfach anzuwenden war und gleichmäßige Ergebnisse lieferte. Besonders überzeugend war in Alkohol gelöstes Wachs, das in dünnen Schichten aufgetragen wurde und sich sehr gut kontrollieren ließ. Harz war in der Verarbeitung aufwendiger und schwerer zu handhaben. Die Kombination aus Wachs und Lösungsmittel erwies sich insgesamt als die vielversprechendste Beschichtungsmethode.

Figure 4:


  1. Carnaubawachs & Hibiskusblüten

  2. Kiefernharz

  3. Bienenwachs

  4. Candelillawachs


Sources

Figures 1–3: © Raphael Kunz
Figure 4: © Louis Widmer